Jakobsmuschel weist Pilgern den Weg

Von Nele Behrens
Braunschweig. Kleine Schilder mit einer gelben Jakobsmuschel hängen seit kurzem an etlichen Stellen in der Stadt – sie zeigen: Hier geht’s nach Santiago de Compostela. Schon vor Jahrhunderten zogen Pilger durchs Braunschweiger Land, um dorthin zu gelangen, wo der Heilige Jakobus begraben sein soll.
Auch heute pilgern wieder unzählige Menschen nach Spanien. Viele Wege führen dorthin – und einer davon ist nun der Braunschweiger Jakobsweg. Er soll künftig Magdeburg und Höxter verbinden, wo der Westfälische Jakobsweg anschließt. Die Route verläuft entlang des historischen Hellwegs, der heutigen Bundesstraße 1. Ein großes Teilstück in unserer Region ist jetzt ausgeschildert: von Helmstedt bis zum Raffteich.
Am Samstag wurde der Weg offiziell eröffnet. Die Träger des Projektes – die Evangelische Akademie Abt Jerusalem, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und das Bistum Hildesheim – feierten dies im Brüdernkloster bei einer ökumenischen Andacht mit knapp 100 Freunden des Pilgerwegs.
Gekommen waren unter anderem Vertreter von Kirchengemeinden, Dörfern und Städten entlang des Weges – Menschen, die ihre Kirchen, Häuser und Herzen öffnen, wie Stiftungsdirektor Tobias Henkel es formulierte. Akademiedirektor Dieter Rammler dankte den Kommunen und Landwirten, die das Aufhängen der 400 Schilder an ihren Wegen gestattet haben – schließlich kann nicht jeder irgendwo Schilder auf hängen. Pastoralreferent Martin Wrasmann vom Bistum Hildesheim ging auf die spirituelle Dimension des Pilgerns ein: Es berühre viele Menschen, die sich in den herkömmlichen kirchlichen Angeboten nicht wiederfänden. Sein Fazit war zugleich ein Appell: „Geht doch!“
Und genau das haben sie am Samstag gemacht: Eine Gruppe von rund 50 Pilgern war zwischen der Klosterkirche Riddagshausen und dem Brüdernkloster in der Innenstadt auf dem Weg – mit Stationen in der St.-Leonhard-Kapelle, in der Magnikirche und in St. Aegidien. Aber warum pilgern Menschen heute eigentlich? Was treibt sie an?
Es sind unterschiedliche Motivationen. „Wir haben vor zehn Jahren aus Neugierde mit dem Pilgern angefangen – es tut uns ein- fach gut“, erzählen zum Beispiel Renate Brüwer und Lina Czeschka aus Wolfenbüttel.
„Pilgern bedeutet für mich, aus dem Alltag aussteigen zu können“, ergänzt Ursel Burgermeister. Sie ist ehrenamtliche Pilgerbegleiterin und führt Gruppen auf dem Braunschweiger Jakobsweg, mal für einen Tag, mal drei Tage lang. Was sie so fasziniert: die Stille in den Kirchen, das Erleben der Natur, die Gespräche der Pilger untereinander.
Auch Ingeborg Helms pilgerte mit, die Beauftragte für Norddeutschland der deutschen St. Jakobusgesellschaft. „Das wirkliche Pilgererlebnis erreicht man meist erst nach wochenlangem Pilgern“, sagt sie. „Man läuft sich in einen Zustand, den man nicht erklären kann. Das muss man erleben – das macht richtig süchtig. Man geht oft als Wanderer los, aber kommt als Pilger wieder.“

Und was unterscheidet einen Wanderer von einem Pilger? Die- ter Prüschenk, einer der Initiatoren des Braunschweiger Jakobs- wegs, findet eine Trennung schwer. „Vielleicht kann man es so sagen: Pilgern ist wandern mit Spiritualität – mit Gebeten, mit geistlichen Liedern, mit Momenten der Besinnung. Die einen ziehen aus, um Gott zu finden – und finden sich selbst. Die anderen ziehen aus, um sich selbst zu finden – und finden Gott.“ Um dies zu erleben, bleibt also nur eines: Einfach mal selber pilgern.

BZ – 24.05.2016

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